
Leib-Seele-Problem
Die Erkrankung der "Seele" ist, anders als die eines anderen Körperorgans, etwas, das den ganzen Menschen von vornherein grundlegend betrifft. Von vornherein meint, dass das Gehirn als das Organ gelten kann, das den Menschen im Wesentlichen repräsentiert, natürlich auch das differenzierteste ist und dessen Erkrankung sofort auch die "Psyche" und uns "Selbst" beeinflusst. Viele leichte körperliche Erkrankungen können das auch in Grenzen - jeder weiß, wie schlecht man sich selbst bei Zahnschmerzen oder Grippe fühlen kann, aber man ist man selbst, wenn auch unter Schmerzen. Selbst leichtere psychische Erkrankungen erscheinen dem Betroffenen von vornherein fremd, nicht zu sich Selbst passend - wie unerklärlich und "unvernünftige" Ängste, Ordnungsbedürfnisse, Traurigkeit und ähnliches: "Das will ich nicht fühlen, das passt nicht zu mir und zur Situation".
Schwere seelische Erkrankungen sind manchmal so ausgeprägt, dass der Betroffene die eigene Veränderung nicht mehr merkt und seine Sinne sich verwirren: Eigene Gedanken werden zu Stimmen von außen, Angehörige zu Fremden und Gefühle grundlos unnormal gut oder auch schlecht. Wer sich kritisch mit sich selbst befasst und um sich schaut, weiß freilich, dass auch dies eigentlich gar nichts so Besonderes ist: Ein tüchtiger Rausch oder schwere körperliche Erkrankungen können gleichfalls dazu führen, dass der Betroffene nicht mehr von "Sinnen ist". Das Gehirn ist in seiner Funktion gestört.
Körper und Psyche sind medizinisch untrennbar eng verbunden. Heute haben wir genaue Vorstellungen über die unterschiedlichen Erkrankungen des Gehirns und der Nervenbahnen. Dies war bis in das letzte Jahrhundert hinein anders. In breiten Kreisen - auch der Wissenschaft - herrschten Vorurteile vor, die bei Tabuverletzungen, Hexenwahn, Besessenheit, schlechtem Lebenswandel und ähnlichem begannen und bis zu einem mechanischen Vererbungsdenken reichten, in dem Kranken minderwertiges Erbgut zugesprochen oder wenigstens die Nähe von Genie, Wahnsinn und lasterhaftem Lebenswandel beschworen wurde.