
Landesfachkrankenhaus - von der Wende bis heute
Bilanz bei der "Wende"
Den enormen Erfolgen standen im Vergleich zu westlichen Verhältnissen bei der Wende gleichwohl erhebliche, letztlich materiell bedingte Defizite gegenüber. Dazu gehörte eine immer noch deutliche Belegung mit chronisch psychisch Kranken, unzureichende Trennung von Akut- und Langzeitbereich, veraltete diagnostische Ausstattung, eingegrenztes Spektrum moderner Medikamente, unzureichend entwickelte Psychotherapie sowie die nur in Privatinitiative abzumildernde Isolation von der allgemeinen wissenschaftlichen Entwicklung im Westen. Problematisch war auch der bauliche Zustand der Häuser und die Krankenhaustechnik, die praktisch seit Anfang der 50er Jahre unverändert waren.
Nach der "Wende" ergab sich medizinisch vorrangig die Aufgabe, die stationäre und ambulante Patientenversorgung sowie die bauliche und organisatorische Struktur auf das "Niveau West" anzuheben. Die Leitlinien der Psychiatrieenquete (BT-Drucksache 7/4200) waren auch nach wissenschaftlicher Aktualisierung ("Empfehlung der Expertenkommission." [1988]) und der politischen Bewertung (BT-Drucksache 11/8494) die gleichen geblieben und sollten nun in den Neuen Bundesländern umgesetzt werden:
- Das Prinzip der bedarfsgerechten und umfassenden Versorgung aller psychisch Kranken und Behinderten
- Das Prinzip der Gleichstellung psychisch und körperlich Kranker
- Das Prinzip der gemeindenahen Versorgung
- Das Prinzip der bedarfsgerechten Koordination aller Versorgungsdienste
Eine Fülle von versorgungspolitischen und -praktischen Problemen lagen vor der Psychiatrie ("Lage der Psychiatrie in den neuen Bundesländern". Bundestag 1992), die von dem damaligen Ärztlichen Direktor der Klinik, Dr. Fröhlich, mit formuliert worden waren. Die Betteninanspruchnahme in der Psychiatrie lag etwa auf der Hälfte des Niveaus "West"; ein ernster Hinweis auf eine Unterversorgung. Suizidquoten waren z. B. in den neuen Bundesländern deutlich höher als im Westen. Komplementäre Strukturen mussten neu entwickelt werden, nachdem das Fürsorgerinnen-System, die Polikliniken und die wichtigen geschützten Arbeitsstätten in den "abgewickelten" Textil- und Elektronik-Betrieben der Region weggefallen waren.