
Allgemeine Psychiatrie
Stationärer Akutbereich
Der Auftrag, im Osten der BRD die gleichen Lebensverhältnisse herzustellen wie im Westen, hat gute Fortschritte gemacht; inzwischen kann von einer weitgehenden Normalisierung gesprochen werden. Wir meinen, dass manche Fehler, wie sie sich im Westen auch eingestellt hatten, hier vermieden worden sind. Als einen großen Vorteil sehen wir an, dass es gelungen ist, die Neurologische Klinik hochwertig auszubauen, während im Westen solche Neurologische Abteilungen eher an Allgemeinkrankenhäuser verlegt wurden. Weiterhin waren im Westen z.B. teilweise "Bettenburgen" entstanden, wo ambulante oder teilstationäre Behandlungen auch ausgereicht hätten.
Die Psychiatrie der Klinik versorgt mit derzeit 323 Betten vollstationäre und 35 "Stühle" teilstationär die (Alt-)Kreise Eisenach, Eichsfeld, Unstrut-Hainich, Gotha, Kyffhäuser-Kreis und Teile von Sömmerda als Pflichtversorgungsgebiet. Der Einzugsbereich reicht bis in die Städte Erfurt, Weimar und Nordhausen. Ca. 5% der Patienten kommen aus anderen Bundesländern. Der Bevölkerung stehen hier im Vergleich zum sonstigen Thüringen etwa 5 %, im Vergleich zum angrenzenden Niedersachsen ca. 25 % weniger Betten zur Verfügung. Mit Pkw ist es gemäß Forderung der Psychiatrieenquete in der Regel binnen 1 Stunde erreichbar; mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Erreichbarkeit oft unbefriedigend (als typisches Problem ländlicher, schlechter öffentlicher Verkehrsanbindung). Die Einrichtung einer großen Tagesklinik in Eisenach (am St. Georg Klinikum, aber mit Planbetten und ehemaligen Mitarbeitern des ÖHK) hat die Inanspruchnahme am Haupthaus um 30 % vergrößert. Ein ähnlicher Effekt ist bei unserer Tagesklinik in Heiligenstadt (Eröffnung September 2007) zu beobachten. Der Nachholbedarf macht sich bemerkbar; überall, auch in entlegenen Kreisen, hat sich die Inanspruchnahme inzwischen erhöht und fast an die Entwicklung "West" angepasst.
Im Westen der Republik nimmt die Betteninanspruchnahme (als Fall) ebenfalls zu, ebenso wie die durchschnittliche Behandlungsdauer abnimmt. Ähnlich - nur auf noch etwas niedrigerem Niveau - ist die Entwicklung in Thüringen allgemein und in unserem Versorgungsgebiet.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über psychische Störungen und deren Behandlung nehmen explosionsartig zu; heute ist wohl niemand mehr in der Lage, über alle Krankheitsbilder alles zu wissen. Hier - wie überall in der medizinischen, technischen oder sonstigen Entwicklung - sind Spezialisierungen nötig, die alle Mitglieder des Behandlungsteams einschließen, damit die optimale Hilfe geleistet werden kann.
Im Akutbereich wurden deshalb differenzierte Spezialstationen weiter entwickelt oder neu gegründet. Spezialangebote bestehen heute nicht nur insofern, als nach Lebensalter (Kinder- und Jugendpsychiatrie, Gerontopsychiatrie) oder Krankheitsform (Depressionsstationen, Suchtstationen etc.) differenziert wird, sondern indem auch innerhalb dieser Gruppen unterschiedliche Schwerpunkte angeboten werden. Es gibt heute vier Stationen für Gerontopsychiatrie (gerontologische Depressions-, Demenz und Allgemein- und Differentialdiagnostische Station), zwei Stationen für Psychotherapie und Psychosomatik (psychoanalytisch, verhaltenstherapeutisch), vier sozialtherapeutische Spezialstationen (z. B. für chronisch Schizophrene, für von der Chronifizierung bedrohte Schizophrene) und eine für geistig Behinderte. Drei suchttherapeutische Angebote werden vorgehalten (qualifizierte Alkohol- und Drogenentgiftung, S 4). Es gibt eine Mutter-Kind-Station und eine für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen.
Damit verbunden sind heute die Anwendungen aller seriösen Pharma-, Psycho- und Soziotherapieverfahren, wobei integrative Gesamtkonzeptionen wichtiger sind, als es einzelne Verfahren im stationären Bereich sein können. Die Ergebnisse der bundesweiten Arzneimittelüberwachung in der Psychiatrie und des Nachfolgeprojektes AMSP (Prof. Hippius, München; Prof. Rüther, Göttingen) zeigten für die Klinik, dass die Pharmakotherapie auf dem neuestem, universitären Stand ist. Wir kooperieren auch mit bedeutenden wissenschaftlichen Institutionen wie der Max-Planck-Gesellschaft, den Unikliniken Göttingen, Jena, Magdeburg, der Arbeitsgemeinschaft der Depressionsstationen Deutschlands und anderen. Durch interne Teamqualifizierung und -spezialisierung "by doing", durch überregionalen Erfahrungsaustausch und wissenschaftliche Projekte entstehen neue Kompetenzen.
Für die Patienten sind damit wichtige Vorteile verbunden: Die Sicherheit, jeweils die bestmögliche Diagnostik und aktuellste Behandlungsmethode geboten zu bekommen. Wichtig ist auch, mit Patienten zusammen zu sein, deren Problem dem eigenen ähnelt und nicht von störenden Verhaltensweisen anderer belastet zu werden. Zu dem verbesserten Angebot gehört auch, dass alle Häuser renoviert sind und zumeist über 2-Bett-Zimmer mit Nasszelle, Fahrstuhl und moderne Aufenthalts- und Therapieräume verfügen.
Die Weiterentwicklung der stationären Psychiatrie am Ökumenischen Hainich Klinikum hat zu wichtigen Verbesserungen geführt, die auch die Patienten wahrnehmen. Durch eine "Abstimmung zu Fuß" im Sinne erheblich verbesserter Akzeptanz wurde die Inanspruchnahme fast verdreifacht. Die Anzahl der belegten Betten im psychiatrischen Akutbereich hat sich dagegen bis 2008 auf 323 insgesamt nur mäßig erhöht. Grund dafür ist, dass sich die Verweildauer von 1989 von 192 Tagen bis 2007 auf 24 Tage verkürzt und damit den Bundesdurchschnitt unterschritten hat. Zudem kann das ÖHK darauf hinweisen, dass die Anzahl wiederaufgenommener Patienten/Jahr mit ca. 15 % sehr gering und zudem konstant ist. Übliche Gründe verkürzter Verweildauer, wie erhöhter Wiederaufnahmen (z. B. Richter und Eickelmann, 2000) konnten vermieden werden; "Drehtürpatienten" sind hier nicht für die Verkürzung der Liegezeit verantwortlich.
Tagesklinik
Die Entwicklung der Tageskliniken "spiegelt wie keine andere Institution das Bemühen um Erneuerung der psychiatrischen Krankenversorgung" wider (A. Finzen, 1999, S. 19. In: Die Psychiatrische Tagesklinik. Hrsg. Eikelmann et al., Thieme). Neben qualitativer Verbesserung der Versorgung spielt neuerlich das Kostenargument eine wichtige Rolle. Verkürzungen der vollstationären Liegezeit sind dabei führend; in nicht unerheblichem Maße sollen künftig immer mehr Behandlungen so organisiert werden. Das ÖHK hat lange tagesklinische Behandlungsmöglichkeiten klinikintern eingerichtet und in den umgebenden Städten eingefordert (u. a. ÄD Dr. Fröhlich in beratender Funktion des Ausschusses "Neue Bundesländer" des Bundestages 1992). Seit Herbst 2001 wird eine Tagesklinik in Eisenach (in Trägerschaft des St. Georg Klinikum) und seit Herbst 2007 eine in Heiligenstadt betrieben. Schon bis dahin hatte das ÖHK mit ca. 500 Patienten/Jahr bereits die höchste Anzahl aller tagesklinischen Patienten in Thüringen versorgt. Natürlich geht es auch hier um Qualität: Das KH ist seit 1995 initiativ und richtet in den einzelnen Fachabteilungen im Hause tagesklinische Behandlungsmöglichkeiten (Sucht, Psychotherapie, Gerontopsychiatrie und allgemeine Psychiatrie) ein. Die Fallzahlentwicklung tagesklinischer Behandlungen entwickelt sich in Richtung auf maximale Auslastung.
Am 01.09.2009 wurde in Eisenach eine Interims-Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie mit vorerst 6 Plätzen im "Ärztehaus" des St.-Georg-Klinikums eröffnet. Die Fertigstellung der endgültigen Klinik ist für Ende 2010 geplant.
Am 19.10.2009 beginnt mit dem 1. Spatenstich der Bau der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bad Frankenhausen.
Institutsambulanz
Wichtiges Instrument der modernen psychiatrischen Versorgung sind Institutsambulanzen für eine "nicht wartezimmerfähige Patientengruppe" (A. Spengler: Institutsambulanzen in der Psychiatrischen Versorgung. Vandenhoeck und Rupprecht. 1991). Es können durch nachgehende und niederschwellige ärztliche Behandlung in Verbindung mit den anderen Berufgruppen auch solche Patienten erreicht werden, die mit gewöhnlicher nerven- und hausärztlichen Versorgung nicht zurechtkommen. Medizinischer Effekt ist eine deutliche Verminderung der Wiederaufnahmehäufigkeiten. Bei chronischer Schizophrenie, Zyklothymie und Persönlichkeitsgestörungen konnten für die Kostenträger gezeigt werden, dass sich die mittlere langjährige Hospitalisierungsdauer etwa auf ein Drittel reduziert. Für den Patienten kann oft erreicht werden, den Circulus virtiosus von (Re-)Hospitalisierung, sozialer Desintegration und Neuerkrankung zu durchbrechen.
Derzeit werden im Hause ca. 900 Patienten/Quartal in der Institutsambulanz der Erwachsenenpsychiatrie und 600 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt. Im Neurologisch-Psychiatrischen-Zentrum, dass am 15.12.2004 eröffnet wurde, hat die Institutsambulanz ein eigenes Haus. Teile der Kinder- und Jugendpsychiatrie Ambulanz sind im Therapiezentrum, weitere Behandlungsmöglichkeiten wurden im Haus 1 eingerichtet; künftig wird die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie eine eigene Ambulanz an einem Ort haben (Haus 9).
Selbsthilfe
Die Expertengruppe des Bundestages hat mit ausdrücklicher politischer Unterstützung (BT-Drucksache 11/84894) festgestellt, dass die Inanspruchnahme natürlicher Hilfspotentiale durch Laienhelfer und Selbsthilfe zu fördern sei. Im ÖHK wurden in den letzten Jahren poststationär Selbsthilfegruppen für Patienten und Angehörige teils in expertengestützter Form eingerichtet, an denen pro Quartal derzeit ca. 300 Menschen teilnehmen.
Komplementäre Einrichtungen
Die Entwicklung des komplementären Bereiches ist in Zusammenarbeit mit den jeweiligen kommunalen Psychiatriekoordinatoren Anliegen des Krankenhauses, ohne medizinische Aufgabe zu sein. Mitarbeiter des Krankenhauses (u.a.) haben als Modellprojekt 1992 die "Lebensbrücke" in Mühlhausen gegründet, die als gemeinnütziger Verein u. a. Tagesstätten, betreutes Wohnen und ein Übergangswohnheim vorhält. Des Weiteren wurde in Nachfolge der alten KH-eigenen Güter der Verein "Gut Sambach" gegründet, der ökologische Anbauformen mit der Beschäftigung chronisch psychisch Kranker und geistig Behinderter verbindet. In Heimen anderer Träger sind Mitarbeiter des Hauses tätig, die die ihnen vertrauten enthospitalisierten Patienten weiterbetreuen. Mitarbeiter der Klinik sind in Arbeitskreise der Psychiatriekoordinatoren in Gotha, Eisenach und Heiligenstadt eingebunden.